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"Bilder, die Vergänglichkeit atmen

"Der Künstler Guillermo R. Malfitani zeigt seine neuesten Arbeiten in der Kölner Graphikwerkstatt

Fantastische Vögel, magische Fische und flinke, weise Schildkröten fliegen durch die Farben, die Guillermos R. Malfitani gemalt und gedruckt auf allerhand Leinwände gebracht hat. Große Pilze waschsen darin aus dem Boden und die Maserung von Holz, das der Landschaft ihre Struktur gibt, erscheint wie eine geheimnisvolle Schrift. Doch mitten in diese bewegte Harmonie flattern Atomkraft- und Feuerzeichen hinein und machen unmissverständlich deutlich, dass die Erzählungen der alten Mythen vom Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur von modernen Einflüssen heillos durchkreuzt und aus den Fugen gebracht ist.

Genau dieses Spannungsfeld zwischen einem an den jahrtausende allen Naturerzählungen orientierten Kulturkonzept und einer in ihrem Naturbezug respektlosen modernen Technik ist seit langem das zentrale künstlerische Thema des in Buenos Aires geborenen Argentiniers (Jahrgang 1950), der inzwischen seit mehr als zwanzig Jahren in Köln lebt. Seine neuesten künstlerischen Arbeiten präsentiert er derzeit in der Kölner Graphikwerkstatt. Im Kern seines bildnerischen Ansatzes steht die Verbindung malerischer und druckgrafischer Elemente, die er ungezwungen und selbstverständlich ineinander greifen lässt.

Einmal bilden Kopien der Wirtschaftsseiten von Tageszeitungen die Folie für einen malerischen Wirbel mit der Formel "Materie ist Energie". Ein anderes Mal sind es druckgrafische Schablonen von Fischen, die in einem tosenden Meer von Farbturbulenzen den "Plan M" veranschaulichen sollen. Gleichfalls als schemenhafter Umriss ruht ein Fisch im unteren Bereich des "Wassers", das sich als ein feingliedriges Gewebe aus aufgedruckten und ausgewaschenen Farbelementen darstellt. Überhaupt ist Malfitanis Kunst eine äußerst sinnliche Angelegenheit, indem er auch den gewissen "Schmutz" zulässt, der eine Farbe erst zum wirlich materialen Ereignis macht.

So gelingen Malfitani Bilder, die als Leinwände wie alte, von Licht, Wind und Wetter mit den Jahrhunderten ausgewaschene Fresken und Mauerstücke erscheinen. Und es gelingen ihm Bilder, die durch die malerischen Überlagerung den Mechanismus der Erinnerung als einen Zusammenhang von Verdecken und Freilegen sichtbar werden lassen. Ein Hauch von Verfall und Vergänglichkeit ist darin ebenso enthalten, wie eine faszinierende Flüchtigkeit, die das Leben als ein unaufhörliches Verwandlungsgeschehen vor Augen führen. Malfitani zeigt gerade diese Einfühlsamkeit für den bewegt-zerbrechlichen Prozess alles Lebendigen ist in der modernen Kultur mit ihrer auch in ihren Bildern vielfach technisierten Sichtweise größtenteils verloren gegangen. Dass seine Werke in ihrem ganzen thematischen Ernst zugleich immer eine farbheitere Note der Leichtigkeit zum Ausdruck bringen, ist schließlich eine weitere ganz besondere Qualität.

Jürgen Kisters
erschienen im Kölner Stadtanzeiger am 30.06.2005